Stalking

Stalking, juristisch Nachstellung, ist das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Stalking ist in vielen Staaten ein Straftatbestand und Thema kriminologischer und psychologischer Untersuchungen.

Definition

Eine erste wissenschaftliche Definition erfolgte durch Zona et al. (1993), welche Stalking als "obsessives und unnormal langes Muster von Bedrohung durch Belästigung gegen ein bestimmtes Individuum gerichtet" bezeichnen.[1] Meloy und Gothard führten 1995 den Begriff "obsessives Verfolgen'" ein, um den psychiatrischen Aspekt hervorzuheben.[2] Damit wurde zudem an die ursprüngliche Bedeutung in der Jagdsprache angeknüpft.

Pathe und Mullen (1997) sehen im Stalking eine "Verhaltenskonstellation, in der eine Person der anderen wiederholt unerwünschte Kommunikation oder Annäherung erzwingt". Westrup (1998) nannte als Merkmale von Stalking: "Das Verhalten tritt mehrmals auf und zielt auf eine bestimmbare andere Person, es wird als unerwünscht und grenzverletzend wahrgenommen und kann Angst und Beklemmung auslösen."[3]

Um als Stalkingopfer kategorisiert zu werden, müssen mindestens zwei verschiedene, die Privatsphäre verletzende (intrusive) Verhaltensweisen berichtet werden, wobei diese durchgehend mindestens acht Wochen andauern und Angst auslösen mussten.

Die offizielle präventivpolizeiliche Definition in Deutschland lautet:

"Das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird."

- Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes: Stalking[4]

Cyberstalking oder Cyber-Mobbing bezeichnet die Belästigung und das beharrliche Nachstellen einer Person unter Anwendung und Zuhilfenahme von modernen technischen Hilfsmitteln wie Handy oder Internet.[5]

Herkunft des Wortes

Das englische Wort to stalk bedeutet in der Jägersprache "jagen, heranpirschen, hetzen, steif gehen, stolzieren" (aus dem Gälischen stalc oder dem Substantiv stalcaire für "Jäger", "Falkner"). Daraus abgeleitet: verfolgen; "Stalking" bedeutet in der deutschen Sprache übertragen "Nachstellen, Verfolgen, Psychoterror".

Mögliche Stalking-Handlungen

Gemäß einer Handreichung zur Beratung des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005)[6] erstrecken sich mögliche Handlungsformen von Stalkern auf:

Standard Außenwirkung Straftaten Ausfragen des Bekanntenkreises Verleumdungen, zum Beispiel gegenüber dem Arbeitgeber Beleidigungen und Üble Nachrede Telefonanrufe, SMS, Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, Sendungen von E-Mails zu allen Tages- und Nachtzeiten Bestellungen von Warensendungen im Namen des Opfers Nötigungen und Bedrohungen "Liebesbezeugungen" wie Liebesbriefe, Blumen, Geschenke Anwesenheit sowie das Verfolgen und Auflauern, zum Beispiel vor der Wohnung, dem Arbeitsplatz, dem Einkaufsort

Das Spektrum der so genannten Stalking-Verhaltensweisen kann in dramatischen Fällen über körperliche Gewalt bis hin zu Tötung reichen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass einzelne Handlungen dabei nicht notwendigerweise als kriminell eingestuft werden müssen, die Anzahl und die Dauer solcher Handlungen allerdings als Stalking betrachtet werden. Der Versuch beispielsweise, die Telefonnummer einer Person zu ermitteln, muss als einzelne Tat nicht notwendigerweise als Störung auffallen, in Kombination mit anderen Handlungen kann solch ein Verhalten aber als Stalking bezeichnet werden. Umgekehrt ist eine Person, die vereinzelt versucht eine Person zu erreichen, nicht notwendigerweise ein Stalker. Fälschlicherweise werden auch generelle Störenfriede, Nervensägen oder unangenehme Personen als Stalker bezeichnet, obwohl deren Handlungen nicht unbedingt eine Verfolgung darstellen. Des Weiteren kann bei einem Verbrechen wie Mord oder Überfall nicht jeder vorherige Versuch der Kontaktaufnahme als Anzeichen von Stalking bezeichnet werden.

Körperliches Attackieren oder die Ausübung von körperlicher Gewalt kommen, nach einer Analyse der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring, in jedem fünften Fall vor. Häufig sind es jedoch die eher "leichten" Stalking-Handlungen, wie etwa das Telefonieren oder das Sich-Aufhalten in der Nähe des Opfers, die den überwiegenden Anteil aller Handlungen ausmachen. Je nach Charakter, Belastbarkeit und Empfindlichkeit des Opfers können aber bereits diese "leichteren" Formen des Stalkings beim Opfer psychische und physische Reaktionen hervorrufen, die sich mit Dauer des Stalkings entsprechend steigern und individuell zu ernsthaften Erkrankungen führen und sich bis zur Arbeitsunfähigkeit entwickeln können.

Täter-Opfer-Beziehung

Wie ein Jäger sammelt ein Stalker Informationen über sein Opfer, um es stellen zu können. Dabei sind aber nicht nur die einzelnen, nachstellenden Handlungen des Täters von Bedeutung, sondern im Besonderen das psychologische Verhältnis zwischen Täter und Opfer. Das unterscheidet das Stalking von anderen, die Selbstbestimmung eines Menschen einschränkenden Handlungen.

Auch wenn jeder Mensch Opfer von Stalking werden kann und sich Opfer und Täter nicht notwendigerweise kennen müssen, sind nach bisherigen Erkenntnissen am häufigsten Personen betroffen, die eine Beziehung oder Ehe mit dem Täter beendet oder einen Beziehungswunsch des Täters zurückgewiesen haben.

Auslöser für die Stalking-Beziehung ist hierbei oft eine narzisstische Kränkung. Narzisstischer Missbrauch kann dabei sowohl vom Stalker als auch vom Gestalkten ausgehen und verursacht dabei zwei völlig unterschiedliche Stalking-Szenarien:


Ist der Stalker ein Narzisst, so fühlt er sich vermutlich durch eine Zurückweisung seiner Ansprüche an das Stalking-Opfer gekränkt und möchte nun durch Zermürbung das Opfer zur Erfüllung seiner ich-bezogenen Bedürfnisse zwingen.

Ist hingegen das Stalking-Opfer ein Narzisst, so hat es vermutlich versucht, dem späteren Stalker eine unzureichende Trennungserklärung oder Rückweisungsbegründung zu unterbreiten, die den (nicht-narzisstischen) Stalker immer wieder veranlasst, verzweifelt nach Erklärungen für die Trennung zu suchen. Der Abbruch einer Beziehung unter Verweigerung eines klärenden Abschlussprozesses, der zur gesunden Einsicht führen würde, warum die Beziehung gescheitert ist, ist dann nichts anderes als die Fortsetzung des narzisstischen Missbrauchs während der Beziehung. Der Stalker ist in diesem Fall perfiderweise Täter (im strafrechtlichen Sinne) und Opfer zugleich (im Sinne eines narzisstischen Missbrauchs durch seinen ehemaligen Partner oder potentiellen Geliebten, von dem er sich nicht befreien kann und nach Absicht des missbrauchenden Partners oder Geliebten auch über die Trennung hinaus nicht befreien soll).

Selbstverständlich können sowohl Täter als auch Opfer sich gegenseitig narzisstisch missbrauchen.

Aber auch Arbeitskollegen und Nachbarn befinden sich häufig unter den Opfern.

Des Weiteren können Angehörige von Berufsgruppen mit Kundenverkehr, Patienten oder Klienten Opfer eines Stalkers werden, wenn dieser sich selbst als Opfer einer Beratung, einer Behandlung, eines Rechtsstreites oder ähnlichem sieht. In einigen Fällen werden aber auch Patienten oder Klienten Stalking-Opfer eines Angehörigen der betreuenden Berufsgruppe; beispielsweise aus Liebeswahn. Das zugrunde liegende Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnis wirkt sich hierbei besonders fatal aus. Des Weiteren können auch Konkurrenten in einer speziellen Sparte oder Rivalen, die eine Niederlage nicht verkraften, zu Stalkern werden. Auch wenn das Phänomen des Stalkings bei Prominenten zuerst aufgefallen ist, so scheinen diese nicht die Mehrheit der Opfer auszumachen.

In einigen Fällen ist dem Opfer der Täter aber nicht bekannt und gehört nicht zum näheren persönlichen, beruflichen oder wohnlichen Umfeld. In manchen Fällen spielt das Phänomen der Übertragung eine Rolle, wenn ein Täter für empfundene seelische oder körperliche Verletzungen ein Opfer stellvertretend büßen lässt, weil es bestimmte Merkmale aufweist, die für ihn im Bezug zum eigenen Schicksal stehen. Ein Teil der Täter weist erhebliche psychische Erkrankungen auf, wobei das Stalken selbst kein anerkanntes Krankheitsbild darstellt.

Über 90 % der Opfer von Stalking, die bei der Polizei oder anderen Stellen Hilfe suchen, sind weiblich und rund 85 % der Täter sind Männer. 91 % der weiblichen Opfer werden von Männern gestalkt und 56 % der männlichen von Frauen. In den übrigen Fällen handelt es sich um ein gleichgeschlechtliches Stalking.[10] Nach einer Studie im Auftrag des Justizministeriums der Vereinigten Staaten wurden 8 % der amerikanischen Frauen und 2 % der Männer im Laufe ihres Lebens schon einmal von einem Stalker verfolgt.[11]

Bei der Interpretation dieser Zahlen sind jedoch die Schwierigkeiten der empirischen Erfassung des Tatgeschehens zu berücksichtigen. Neben der fehlenden einheitlichen Definition des Stalking-Begriffes fällt es den Beteiligten an so genannten Beziehungstaten erfahrungsgemäß schwer, sich offen darüber zu äußern.

Psychologische Einteilung der Täter

Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathe und Purcell teilen die Stalker in sechs Gruppen ein, ausgehend von deren Motivation und Beziehungsverhältnis:[12]

Gruppe Motivation Beziehungsverhältnis 1 Zurückgewiesene Stalker Gefühl der Demütigung, Zurückweisung unter anderem meist Ex-Partner / Freunde 2 Beziehungssuchende Stalker Fehlwahrnehmungen der Beziehungsbereitschaft des Opfers, häufig Liebeswahn Persönliches und weiteres Umfeld des Opfers 3 Intellektuell retardierte Stalker Ungenügende Sozialkompetenz, überschreiten Grenzen Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) 4 Rachsüchtige Stalker sehen sich durch ihre gestörte Persönlichkeit fälschlicherweise selbst als Opfer oder bilden sich ein, Opfer der Personen zu sein, denen sie nachstellen; Hilfe, die sie bekommen, nutzen sie zur fortgesetzten Rache und Befriedigung aus. temporäres Umfeld (beispielsweise Arzt oder Rechtsanwalt als Opfer, jedermann im Umfeld des Opfers) 5 Erotomane, morbide, krankhafte Stalker Kontrolle/Dominanz - meist psychopathische Persönlichkeit Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft) 6 Sadistische Stalker Gefühl der Befriedigung Persönliches und weiteres Umfeld

Gesundheitliche und soziale Folgen

Ein Großteil der Opfer leidet unter vegetativen Erscheinungen, wie etwa Unruhe (Schreckhaftigkeit), Kopfschmerzen, Angstsymptomen, Schlafstörungen und Magenbeschwerden und der daraus resultierenden geistigen und körperlichen Erschöpfung. Viele sind schnell gereizt und reagieren dann situationsbedingt unbegründet aggressiv. Ein nicht geringer Teil der Opfer leidet unter depressiven Verstimmungen, einige darunter unter Depressionen. Allerdings ist unsicher, wieweit nicht psychisch vorbelastete Personen normales zwischenmenschliches Verhalten als Stalking empfinden.

Vor allem bei Opfern, denen aufgelauert wird oder die körperlich verfolgt werden, zeigen sich rasch tendenziell reaktive Verhaltensmuster, wie etwa Vermeidungsverhalten, Abkapselung (Vereinsamung) oder Kontrollverhalten. So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundene Situation auch das Opfer auf den Stalker fixiert.

Nach langer und intensiver Verfolgung kann in seltenen Fällen eine posttraumatische Belastungsstörung auftreten, vergleichbar mit einem Trauma bei Soldaten nach unmenschlichen Kriegserlebnissen, die diese psychisch nicht verarbeiten konnten.

Um den gesundheitlichen und sozialen Folgen des Stalkings gezielt entgegenwirken zu können, ist es empfehlenswert, sich frühzeitig helfen zu lassen.

Am 23. April 2008 hat in Berlin die erste Beratungsstelle für Stalker ihren Betrieb aufgenommen.[13]

Fallzahlen

Deutschland

Für das Jahr 2007 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik für Deutschland 11.401 Fälle mit dem Tatvorwurf der "beharrlichen Nachstellung" gem. § 238 StGB (alte Fassung) erfasst, wobei zu berücksichtigen ist, dass das Gesetz erst am 31. März 2007 in Kraft trat. Dies entspricht einer Häufigkeit von 13,9 Fällen/100.000 Einwohner. Bei 14 Fällen wurden Schusswaffen mitgeführt, wobei in vier Fällen geschossen wurde. Die Aufklärungsquote beträgt 88,4 %, d. h. 9389 erfasste Fälle konnten aufgeklärt werden. Nichtdeutsche Tatverdächtige haben einen Anteil von 16,6 %.[14] Anfang bis Mitte der 2010er Jahre ergingen jährlich rund 20.000 bis 25.000 Strafanzeigen gegen Stalker bei den Gerichten ein, die jedoch meistens im Sand verliefen. Stalking galt in weiten Teilen immer noch als Kavaliersdelikt. Die Zahlen der Verurteilungen lagen etwa bei 1 Prozent. So kam es beispielsweise 2011 zu rund 350 und 2013 zu 236 Verurteilungen. Stalking wurde nur bestraft, wenn der Täter damit die "Lebensgestaltung" des Opfers "schwerwiegend beeinträchtigte", was aus Sicht der Gerichte z. B. nur dann zutraf, wenn das Opfer gezwungen war, den Wohnort und die Arbeitsstelle zu wechseln. Bianca Biwer, die Bundesgeschäftsführerin der Opferschutzorganisation "Weißer Ring", kritisierte, dass die Strafbarkeit des Stalkings "nicht von der tatsächlichen Beeinträchtigung des Opfers abhängt, sondern allein davon, wie das Opfer ihr zu entfliehen versucht". Eine weitere strafverhindernde Situation war oft, dass die Opfer es versäumten, auf keinen Fall auf den Stalker zu reagieren. Beispielsweise wurde ein aus Angst mit dem Täter geführtes Telefonat dahingehend ausgelegt, dass das Opfer den Kontakt offensichtlich doch noch wollte.[15][16][17] Als Ausweg aus dieser Misere beschloss das Bundeskabinett am 13. Juli 2016 einen Gesetzesentwurf von Justizminister Heiko Maas, der Stalking-Opfer künftig besser schützen soll und mit dem Täter wegen Nachstellungen einfacher verurteilt werden können.[18] Zum daraus resultierenden Gesetz vom 10. März 2017,ö. - siehe unten: Deutschland - Strafrechtliche Sanktionen

Österreich

Im Jahre 2008 wurde von der Universität Wien eine Studie (Stieger, Burger, Schild, 2008) durchgeführt, in der 11 % der Teilnehmer im Laufe ihres bisherigen Lebens als Stalkingopfer identifiziert werden konnten.[19][20] Weitere Ergebnisse der Studie: Die Stalkingopfer bestanden hauptsächlich aus Frauen (86 %), die Stalker jedoch aus Männern (81 %). Frauen wurden in den meisten Fällen von Männern gestalkt (88 %). Männer hingegen wurden fast zu gleichen Teilen von Männern und Frauen gestalkt (60 % männliche Stalker). 19 % der Stalkingopfer gaben an, dass sie zum Zeitpunkt der Studie noch immer gestalkt wurden, was einer Punktprävalenzrate von 2 % entspricht. 70 % der Stalkingopfer kannten den Täter, der in 40 % der Fällen ein früherer Intimpartner war, in 23 % ein Freund oder Bekannter und in 13 % ein Kollege. Als Konsequenz auf das Stalking gaben 72 % der Opfer an, dass sie ihren Lebensstil geändert haben. 52 % aller Stalkingopfer hatten bezüglich ihres psychologischen Wohlbefindens Werte im pathologischen Bereich. Bei einem Vergleich der Anzahl der Stalkingfälle im ländlichen und im städtischen Bereich gab es keine signifikanten Unterschiede.

USA

Nach Angaben des Justizministeriums der Vereinigten Staaten werden jährlich 1.006.970 Frauen und 370.990 Männer gestalkt. 77 % der weiblichen und 64 % der männlichen Opfer kennen ihren Stalker. 87 % der Stalker sind Männer und 78 % der Opfer sind Frauen.[11]

Rechtliche Aspekte

Deutschland

Strafrechtliche Sanktionen

Gesetzliche Situation seit März 2007

Mit Gesetz vom 22. März 2007, in Kraft getreten am 31. März 2007, wurde in das deutsche Strafgesetzbuch der Straftatbestand der "Nachstellung" eingeführt (§ 238 StGB, alte Fassung), der englische Begriff "Stalking" wurde im Gesetz nicht erwähnt. Viele bei der Nachstellung typische Verhaltensweisen wurden zwar bereits durch andere Straftatbestände sanktioniert (Bedrohung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung), der neu geschaffene Straftatbestand der Nachstellung sollte aber einen noch effektiveren Opferschutz gewährleisten, indem bestehende Regelungslücken geschlossen wurden. Nachstellungen unterhalb der Eingriffsschwelle eines der genannten Straftatbestände konnten zuvor nur durch die Einschaltung der Zivilgerichte begegnet werden. Die Ziffern 1 bis 4 des 1. Absatzes sollten nach Auffassung des Gesetzgebers die nach damaligegem Erkenntnisstand häufigsten Nachstellungshandlungen erfassen. Mit der "anderen vergleichbaren Handlung" nach Ziffer 5 wurde zusätzlich ein Auffangtatbestand integriert, um Strafbarkeitslücken zu vermeiden und künftigen technischen Entwicklungen Rechnung tragen zu können. Von dem Begriff der "schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung" werden ins Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende Folgen erfasst, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Modifikationen der Lebensgestaltung erheblich und objektivierbar hinausgehen. Höhere Strafrahmen gelten, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht hat oder die Tat den Tod einer der genannten Personen verursacht hat. (Absätze 2 und 3) In letzteren Fällen gelten auf Grund des gleichzeitig geänderten § 112a Abs 1 Nr 1 StPO entsprechende Straftaten als Haftgrund wegen Wiederholungsgefahr. Die einfache Nachstellung wird nur auf Antrag verfolgt (Absatz 5), wenn nicht die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall ein besonderes öffentliches Interesse annimmt. Aber auch bei Vorliegen eines Antrages verfolgte die Staatsanwaltschaft die Tat bisher nur, wenn sie ein öffentliches Interesse bejahte (§ 376 StPO, mit Möglichkeit der Nebenklage, § 395 Abs 1 Nr 1 lit e StPO), ansonsten wurden die Opfer auf den Weg der Privatklage verwiesen (§ 374 Abs. 1 Nr. 5 StPO alter Fassung). Eine einfache Nachstellung ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bewehrt.

Gesetzliche Situation seit März 2017

Mit dem neuen Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1. März 2017[21] wurde der 1. Absatz des § 238 StGB (bei unveränderten Absätzen 2-5), so wie § 374 Abs 1 Nr 5 StPO und weitere Paragraphen im Zusammenhang des Gewaltschutzgesetzes geändert. Das neu formulierte Grunddelikt nach § 238 Abs. 1 StGB ist seit 10. März 2017 jetzt nicht mehr als Erfolgsdelikt, sondern als Eignungsdelikt ausgestaltet. Das bedeutet, dass der Täter also von nun an nicht nur dann bestraft werden kann, wenn er durch unbefugtes Nachstellen in Form der beharrlichen Vornahme ausdrücklich angeführter Tatvarianten eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung verursacht hat, es reicht nunmehr aus, dass die Handlungen zu einer solchen Beeinträchtigung geeignet waren. Die parallele Änderung des § 374 Abs 1 Nr 5 bewirkt, dass der Tatbestand "Nachstellung" (§ 238 Abs. 1 StGB) nicht mehr im Wege der Privatklage vom Verletzten verfolgt werden können, ohne dass es einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Somit sollen die Opfer nicht mehr auf den Weg der Privatklage verwiesen werden können und mehr Straftaten zu einer Anzeige gebracht werden.

Opferentschädigungsgesetz

Nachstellung begründet nicht automatisch einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Gewaltlose, insbesondere psychische Einwirkungen auf das Opfer sind regelmäßig nicht als "tätliche Angriffe" zu werten, die das OEG für einen Entschädigungsanspruch voraussetzt. Das Bundessozialgericht hat im April 2011 entschieden, dass eine Opferentschädigung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn es im Rahmen der Nachstellungen zu einer Einwirkung direkt auf den Körper des Opfers gerichteten Gewalttat gekommen ist.[22]

Präventive Maßnahmen

Nachstellungsopfer haben zunächst die Möglichkeit, die Polizei hinzuzuziehen. Diese kann den Störer der Wohnung verweisen sowie gegen ihn einen Platzverweis erteilen; ferner kann ein Kontaktverbot ausgesprochen werden (Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel). Innerhalb von i. a. zehn Tagen sollte der Geschädigte beim örtlich zuständigen Amtsgericht Schutzanordnungen gegen den Stalker erwirken, die auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) erlassen werden können und beispielsweise aus der Anordnung bestehen können, sich der Wohnung des Opfers nicht zu nähern. Ein Beispiel aus der obergerichtlichen Spruchpraxis dazu ist die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 2. Oktober 2007. Nach dieser reicht es für eine Anordnung nach dem GewSchG bereits aus, wenn das Opfer über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten am Verlassen der Wohnung gehindert wird.[23]

Soweit auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes eine Unterlassungsverfügung gegen einen Stalker erlassen wird und dieser gegen die in der Verfügung festgelegten Verbote verstößt, stellt dieser Verstoß ein strafbares Verhalten nach § 4 Gewaltschutzgesetz dar. Streng genommen handelt es sich dabei dann nicht um die Strafbarkeit von Nachstellung an sich, sondern vielmehr um die Strafbarkeit wegen Missachtung einer gerichtlichen Anordnung. Schon in den 1970er Jahren gingen die Gerichte gegen Telefonterror vor.

Täter können in Deutschland unter Voraussetzung des § 112a StPO (Haftgrund Wiederholungsgefahr) in Untersuchungshaft genommen werden (sog. Deeskalationshaft). Dies gilt allerdings nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss der dringende Verdacht bestehen, dass der Täter sein Opfer (beziehungsweise einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person) zumindest in Lebensgefahr oder in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht hat. Zweitens müssen bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Täter vor einer rechtskräftigen Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO, § 238 Abs. 2, 3 StGB).

Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Polizeiarbeit scheint sich die sogenannte "Gefährderansprache" gegenüber dem mutmaßlichen Täter zu bewähren. Nach Auswertung mehrerer Studien, unter anderen der Darmstädter Studie, hinterlässt eine staatliche Reaktion innerhalb der ersten 48 Stunden eine nachhaltige und zu 80 % beendende Wirkung beim Täter, da er mit seinem Handeln aus der Anonymität herausgeholt wird und ihm die rechtlichen und tatsächlichen Grenzen seines Handelns aufgezeigt und angedroht werden. Diese sind dem Täter, der sich in vielen Fällen selbst in der Opferrolle sieht, oft nicht oder nicht in diesem Ausmaß bekannt.

Es ist jedoch auch möglich, dass die Gefährderansprache die aktuelle Gefährdung für das Opfer noch steigert, da jetzt dem Stalker offenbar wird, dass das Opfer staatliche Stellen eingeschaltet hat. Es ist deshalb wichtig, den Stalker nach der Ansprache weiterhin zu beobachten oder durch Einbindung anderer Beratungsstellen zu begleiten. Die Gefährderansprache selbst bietet insbesondere dem Polizeibeamten, der eine Gefährdungseinschätzung vornehmen muss, die Möglichkeit, weitere Informationen über den Täter (Gemütszustand, Motivation) zu gewinnen und weiteres Vorgehen strukturiert zu gestalten. Insbesondere ist das Opfer über die Gefährderansprache zu informieren.

Zivilrechtliche Sanktionen

Opfer von Nachstellungsangriffen können sich auch zivilrechtlich zur Wehr setzen. Sind die Angriffe geeignet, ihr Persönlichkeitsrecht zu verletzen, so kommen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nach § 823, § 1004 BGB, Art. 1 und Art. 2 GG in Betracht. Je nach Intensität der Nachstellung gewähren die Gerichte auch erhebliche Schmerzensgeldbeträge.[24]

Arbeitsrechtliche Sanktionen

Fühlt sich ein Mitarbeiter von einem Arbeitskollegen belästigt und äußert, dass weder dienstlich noch privat Kontakt erwünscht ist, so hat der Arbeitnehmer das zu respektieren. Handelt er oder sie weiter gegen den erklärten Willen des Arbeitskollegen, kann dieses Verhalten eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Ob es zuvor einer Abmahnung bedarf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.[25]

Entwicklung

Das Problem "Nachstellung" trat bei Gerichten, Staatsanwälten und der Polizei erst langsam ins Bewusstsein. Häufig wurden Opfer nicht ernstgenommen. Auf der anderen Seite waren Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen häufig in ihrem Handlungsspielraum beschränkt.

Als Reaktion auf diese als unbefriedigend wahrgenommene Situation verabschiedete im August 2005 das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf, der einen neuen § 241b StGB vorsah.[26]

Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes wurde 2005 kontrovers diskutiert, da man der Ansicht war, die bestehenden Gesetze würden den Betroffenen ausreichende Möglichkeiten zur Strafverfolgung bieten. Vielmehr sollten die bestehenden straf-, zivil- und polizeirechtlichen Möglichkeiten konsequenter angewendet werden. Außerdem wurde konkrete Kritik am dargestellten Gesetzesentwurf geübt, beispielsweise hinsichtlich der Verfassungskonformität infolge der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe. Der Gesetzesentwurf zu § 241b StGB fiel mit dem vorzeitigen Ende des Bundestages der Diskontinuität anheim.

Der § 238 StGB wurde 2006 als Entwurf in den Bundestag eingebracht. Er wurde Ende 2006 im Bundestag und im Februar 2007 im Bundesrat verabschiedet und trat am 31. März 2007 in Kraft.

Seit 10. März 2017 ist die Vorschrift nicht mehr als Erfolgsdelikt, sondern als Eignungsdelikt ausgestaltet: Der Täter kann also nicht nur dann bestraft werden, wenn er durch unbefugtes Nachstellen eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung verursacht hat, es reicht jetzt aus, dass die Handlungen zu einer solchen Beeinträchtigung geeignet waren.

Österreich

In Österreich ist seit dem 1. Juli 2006 Stalking durch die Einführung des Straftatbestandes beharrliche Verfolgung § 107a StGB strafbar. Der Strafrahmen beträgt bis zu einem Jahr Haft.

Um den Tatbestand der beharrlichen Verfolgung zu erfüllen, muss der Täter das Opfer in einer Weise verfolgen, die objektiv geeignet ist, dessen Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen. Als Stalkinghandlungen zählt das Strafgesetzbuch die persönliche Kontaktaufnahme, die Kontaktaufnahme via Tele- oder sonstiger Kommunikationsmittel oder durch Dritte auf. Auch die Weitergabe von personenbezogenen Daten ist ein Vergehen iSd. § 107a StGB, wenn damit Waren oder Dienstleistungen im Namen des Opfers bestellt werden oder Dritte veranlasst werden, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen.

Erforderlich ist, dass zumindest eine der aufgezählten Handlungen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt wird und die Handlung nach dem 1. Juli 2006 begangen wurde. Die Tatbestände des § 107a StGB sind Offizialdelikte, das heißt die Staatsanwaltschaft hat unabhängig von der Einwilligung des Opfers aktiv zu werden.

Zum Schutz vor weiteren Eingriffen in die Privatsphäre, kann auf dem zivilrechtlichen Weg, auf Antrag des Opfers, dem Stalker per einstweiliger Verfügung durch das Gericht unter anderem untersagt werden, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen, es zu verfolgen, sich an bestimmten Orten aufzuhalten oder Waren für das Opfer zu bestellen. Diese Verfügung gilt maximal für ein Jahr und wird zum Teil durch die Polizei sowie durch Geld- bzw. Haftstrafen (Exekutionsantrag an das Bezirksgericht) vollzogen.

Schweiz

In der Schweiz gibt es für Stalking keinen eigenen Straftatbestand. Dahinter steht die Überzeugung, dass niemand in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden darf, nur weil sich jemand anderer diffus belästigt fühlt. Auch wäre ein derart unbestimmter Tatbestand nach dieser Ansicht kaum vereinbar mit dem Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa).

Liegt eine bewusste Belästigung vor, so gibt es die Möglichkeit, zivilrechtlich eine Fernhalteverfügung zu erwirken. Eine solche verbietet jemandem unter Strafandrohung, sich der klagenden Person zu nähern, sich in einem bestimmten Gebiet aufzuhalten oder mit der Person wie auch immer Kontakt aufzunehmen (Art. 28b ZGB, Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen). Diese Möglichkeit gab es schon immer, der Artikel wurde aber am 1. Juli 2007 verschärft. Die Missachtung einer solchen Verfügung ist ein Straftatbestand (Art. 292 StGB, Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen). Auf diesem Weg kann Stalking strafrechtlich verfolgt werden, ohne dass das Bestimmtheitsgebot verletzt oder das Subsidiaritätsprinzip durchbrochen wird, nach welchem das Strafrecht nur als Ultima Ratio zum Einsatz kommen soll.

Direkt strafrechtlich belangt werden kann ein Stalker selbstverständlich dann, wenn er ein Delikt begeht. Typisch im Zusammenhang mit Stalking sind etwa Nötigung oder Missbrauch einer Fernmeldeanlage.

Quelle

https://de.wikipedia.org/wiki/Stalking

Hilfe für gewalttätige Menschen

Österreichweit

  • White Ribbon
    Die White Ribbon Kampagne ist die international größte Bewegung von Männern, die sich für gewaltfreies Verhalten von Männern in Beziehungen einsetzt. Das Tragen der weißen Schleife (engl. White Ribbon) bedeutet, bewusst gegen Gewalt an Frauen und Kindern aufzutreten.
  • www.gewaltinfo.at
    Auf diesen Seiten finden Sie Organisationen, Vereine und Initiativen, wo Sie sich Beratung und Hilfe holen können.
  • Euline
    Die Berater der Europäischen Hotline für Gewaltprävention bieten Gewalttätern umfassende Beratung. Ein Beratungsgespräch kostet aus Österreich 0,12 Euro beginnend mit dem Zustandekommen des persönlichen Gesprächs.

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